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Heinrich Tessenow gilt als einer der bedeutendsten deutschen Architekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine architektonischen und theoretischen Leistungen sind bis heute vorbildlich.
Die erste und letzte umfassende Ausstellung seines Werkes fand 1991 im Deutschen Architekturmuseum DAM in Frankfurt und an der Architektur-Biennale in Venedig statt. Sie bildeten zusammen mit dem Buch über das Gesamtwerk von Tessenow den Abschluss einer mehrjährigen, nachhaltig bedeutenden Forschungsarbeit des italienischen Architekturhistorikers Marco De Michelis. Seither sind nur wenige unbekannte Arbeiten und Dokumente entdeckt worden. In kleineren Ausstellungen wurden einzelne Aspekte gezeigt.

Tessenow wird gerne und zuerst mit kleinen Wohnhäusern für Arbeiter, Handwerker und Kleinbürger in Verbindung gebracht. Diese Bauten sind dank ihrer Schmucklosigkeit, ihrer einfach-kubischen Form und wohlkontrollierten Proportionen von still-starker Präsenz. Mit Ausnahme des Festspielhauses 1912 in Hellerau geht darob des öfteren vergessen oder wird übersehen, dass derselbe Tessenow eine Reihe von weiteren ikonischen Gebäuden entworfen hat, so das Haus Böhler bei St. Moritz im Jahr 1917, die zwischen 1925 und 1927 errichtete Landesschule in Klotzsche bei Dresden, 1931 den Umbau der Neuen Wache zum Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkriegs, 1936 das immens grosse und gleichzeitig feine Projekt am Strand von Prora mit dem starken Bild des Säulenwaldes, eine gebaute Metapher, oder auch die 1927 erbaute Mädchenschule in Kassel.

Tessenow, dessen Stadtideal die Kleinstadt mit 20’000 bis 50-60’000 Einwohnern war, führte mit Projekten für den Dresdner Anzeiger in Dresden, für grosse Schulanlagen und Verwaltungsgebäude wie die Reichsbank in Berlin vor, dass er sehr wohl fähig war, für die Grossstadt zu planen. Offensichtlich beherrschte er den grossen Massstab so souverän wie den kleinen. Eigenständig fügte er seine Projekte in die unterschiedlichsten Kontexte ein, frei von zeitbedingten Clichés und Moden. Der einzige realisierte grosse Schulbau, derjenige in Kassel, ist ein Musterbeispiel städtebaulich-architektonischer Intelligenz. In den 40er Jahren erarbeitete er Projekte für grosse Siedlungen, Kleinstädte und später für den Wiederaufbau.
Das Archiv Tessenows ist im Zweiten Weltkrieg verbrannt und nur ganz wenige Gebäude sind noch in dem Zustand, wie sie sich dank historischen Bildern in unsere Erinnerung eingeprägt haben. Ihr heutiger, oft lamentabler Zustand widerspiegelt mehr als ein Jahrhundert Geschichte. Einige Gebäude wurden erst ein paar Jahre nach der Wende wieder zugänglich, so das Festspielhaus in Hellerau.
Das Vorfinden der Ruinen der ehemaligen Landesschule in Klotzsche Ende der 1990-er Jahre durch den Kurator Martin Boesch wurde zum Auslöser für eine forschende Beschäftigung mit dem Werk Tessenows.
Diesmal im Sinne von Tiefenbohrungen, geleitet durch die Frage, wie diese Bauten waren, in ihrer Physis, Erscheinung und Wirkung. So wurden, neben dem Potential von Archiven, die Möglichkeiten von Feldforschung bis hin zu Methoden der Archäologie genutzt. Um Wissen zu sammeln und um Wissen auch in Form von physischem Material im letzten Moment vor dem gänzlichen Verschwinden zu retten.
Dieses vertiefte Wissen, soll in der Ausstellung im Rahmen dreier Themenkreise seine Darstellung finden: Bauen in der Landschaft, Projekte für die Stadt, Das grosse Haus und das kleine Haus. Und die Frage steht im Raum: welche Bedeutung hat Tessenow, haben seine Bauten, Schriften und Zeichnungen heute?


Das Ausstellungsgut besteht aus am Institut d’architecture Université de Genève IAUG, an der HafenCity Universität HCU Hamburg, am Departement Architektur Winterthur ZHAW, am DICAR Politecnico di Bari und an der Accademia di architettura Mendrisio Università della Svizzera italiana USI-ARC, und privat erstellten Zeichnungen, Modellen und Rekonstruktionen in verschiedenen Massstäben, sowie Reproduktionen von Plänen und Fotos aus der Kunstbibliothek, Staatliche Museen Berlin, Stiftung Preussischer Kulturbesitz und aus dem Stadtarchiv Pössneck. Historische und aktuelle Fotos, Videos, Publikationen, archäologische Fundstücke, drei Hocker aus dem Hauhalt Tessenows und als Preziose eine Auswahl von Handzeichnungen aus Privatbesitz ergänzen das Ausstellungsgut.

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